von Ingo Barrabas
„Ich war immer entweder ganz oben oder ganz unten. Die Mitte hat mich nie interessiert.“ Dieses Zitat von Hans Orsolics hat Kultcharakter und beschreibt treffend das Leben des gebürtigen Neubergers. Mit knapp 20 Jahren war er jüngster Europameister, kurz vor einem Weltmeisterschaftskampf kassierte er aber eine schwere K.o. Niederlage und seine Karriere geriet ebenso ins Straucheln, wie sein Privatleben. Falsche Freunde, massive Alkoholprobleme, Schlägereien, Steuerschulden. Orsolics schien völlig am Ende, rappelte sich aber nach Jahren des Abstiegs wieder auf. Am 14. Mai 2007 feierte Hans Orsolics in Wien seinen 60. Geburtstag.
Der 1947 im Burgenland geborene Orsolics startete im Sommer 1965 seine Profilaufbahn standesgemäß mit einem K.o. Erfolg in der 1. Runde. Zwei Jahre später gewann der Halbweltergewichtler mit einer eindrucksvollen Leistung gegen Conny Rudhoff die Europameisterschaft. Die Fans in der Wiener Stadthalle waren völlig aus dem Häuschen, als dem knapp 20jährigen der Gürtel umgeschnallt wurde. Die Popularität setzte sich bei den nächsten Kämpfen weiter fort, mehrmals war die Wiener Stadthalle völlig ausverkauft, das Fernsehen erzielte sensationelle Einschaltquoten. Umgekehrt wurde die Popularität des Champions dadurch weiter gesteigert, die Fans liebten Orsolics‘ Kämpferherz und sein technisches Rüstzeug. Der Halbweltergewichtler verlor zwar nach zwei erfolgreichen Titelverteidigungen im Mai 1968 seinen EM Gürtel, gewann aber knapp ein Jahr später gegen den Franzosen Jean Josslin die Europameisterschaft eine Gewichtsklasse höher, im Weltergewicht. Der Erfolg über Josslin, der vorher noch nie vorzeitig verloren hatte, sowie zwei weitere erfolgreiche Titelverteidigungen brachten Orsolics an die Spitze der Weltrangliste und eröffneten ihm die Chance auf einen WM-Kampf gegen Jose Napoles.
Dieses Duell sollte im November in Wien stattfinden. Aus ungeklärten Motiven sollte Orsolics vorher aber noch einen Testkampf bestreiten. Viele Fans schüttelten den Kopf, als mit Eddie Perkins dazu noch ein brandgefährlicher Mann für diesen Aufgalopp verpflichtet wurde. Die Skeptiker sollten recht behalten. Bei diesem völlig unnötigen Kampf ging Orsolics in der 4. Runde schwer K.o., alle WM Pläne wurden mit dieser Niederlage zunichte gemacht. Rückblickend war das Duell gegen Perkins der Wendepunkt. Es ging bergab. Wenig später verlor Orsolics seinen EM Gürtel, drei Versuche die EM Krone im Superweltergewicht zu gewinnen scheiterten. Nach einer Niederlage gegen Jose Manuel Duran trat Orsolics Ende 1974 im Alter von 28 Jahren mit einer Bilanz von 42-8-3 (28) vom Boxsport zurück.
Wie später bekannt wurde, litt der charismatische Orsolics schon während seiner aktiven Laufbahn unter einem stärker werdenden Alkoholproblem. Der Spruch „Viele Boxer sind nach ihrer Karriere Alkoholiker geworden. Ich habe schon früher angefangen.“ sorgte nicht nur bei Fans für Kopfschütteln. Hinzu kamen die „falschen Freunde“, kolossale Fehlgriffe bei finanziellen Angelegenheiten sorgten schließlich dafür, dass der Ex-Champion die Kampfbörsen von insgesamt rund 4 Millionen Schilling (300.000 Euro) in einen Schuldenstand von rund 600.000 Schlling (43.000 Euro) umwandelte. Ein Ausflug in die Welt der Gastronomie scheiterte, wie so vieles andere im Leben von Hans Orsolics. Die Pleite des von ihm betriebene Lokal „Zum Rauchfangkehrer“, in Anlehnung an seinen erlernten Beruf, kostete eine Menge Geld, die Scheidung von seiner Frau war ebenfalls nicht ganz billig. Hohe Steuernachforderungen des Finanzamtes gaben dem finanziell angeschlagenen Boxer den Rest. Hinzu kam ein immer größer werdendes Vorstrafenregister, zumeist wegen Körperverletzung. Später bewahrte ihn die Wohnmöglichkeit im Hause seines Vaters im Burgenland vor der Obdachlosigkeit. Seine früheren „Freunde“ hatten sich da schon längst abgewandt.
Die Wende brachte 1986 eine vom ORF-Boxexperten Sigmund Bergmann gestaltete erschütternde Dokumentation, in der Orsolics‘ große Erfolge seiner gegenwärtigen tristen Situation gegenübergestellt wurden, was ein großes Echo der Hilfsbereitschaft auslöste. Der Wiener Liedermachers Charly Kriechbaum, der Orsolics einen unter dem Eindruck der TV-Dokumentation verfassten Song zur Verfügung stellte, wurde trotz oder gerade wegen Orsolics‘ mangelnder gesanglicher Fähigkeiten zu einer Art Kultplatte. Die Scheibe erreichte den Spitzenplatz der österreichischen Hitparade, Orsolics münzte diesen Erfolg mit vielen Live Auftritten in Diskotheken und einer nachfolgenden LP „Come Back“ in gute Erträge um. So konnte Orsolics einen Teil seiner Schulden abtragen und trat eine Entziehungskur an. Sigmund Bergmann vermittelte ihm einen Job als Lagerarbeiter in der ORF-Druckerei, die ärztliche Behandlung seiner psychischen Probleme, sowie eine neue Ehe machten schließlich Orsolics‘ persönliches Comeback perfekt. Seine häufig gebrauchte Phrase „A Wauhnsinn, normal“ fand durch ihn Eingang in die österreichische Umgangssprache und beschreibt treffend das Leben des Hans Orsolics.