Edip Secovic

von Ingo Barrabas
 
Im Oktober 2000 kam Edip Secovic in seinem letzten Profikampf zu einem Punktsieg. Damit endete eine sehr illustre Karriere völlig unspektakulär. überhaupt sieht die Laufbahn des früheren Europameisters aus statistischer Sicht völlig unauffällig aus. 30-9-1 (23 ko’s) lautet die Bilanz des Wieners in nüchternen Zahlen. Für die Hall of Fame wird das nicht reichen. Doch ein Blick hinter die Fassade offenbart viele ereignisreiche Ringschlachten, an die sich nicht nur die zahleichen Fans des Wieners gerne zurückerinnern. Für Dramatik sorgte regelmäßig Secovics Anfälligkeit für Cutverletzungen, anderseits konnte er aber auch jeden Kampf mit seiner brachialen Schlagkraft entscheiden. Zu dieser an sich schon brisanten Mischung kam ein behäbig wirkender, aber druckvoller Kampfstil.
 
Dabei sah dies nach weniger als zwei Jahren Profilaufbahn noch ganz anders aus. Anfang 1983 wies die Bilanz von Secovic, der im August 1981 debütierte, einen Rekord von 6-4-1 auf, mit vier Niederlagen aus den letzten 5 Kämpfen, drei in Folge! Zwei Anläufe auf den österreichischen Mittelgewichtstitel gegen Franz Dorfer endeten mit Niederlagen in der 3. und 8. Runde, darauf folgte noch eine bittere Erstrunden K.o. Niederlage gegen Neo Profi Dick Katende. Der hatte in seinem Debüt Franz Dorfer nach Punkten geschlagen und schlug in seinem zweiten Fight der Papierform folgerichtig Secovic vorzeitig. Das überkreuzvergleich hinken, sollte Secovic später nicht nur einmal widerlegen. Davon ahnten die Fans allerdings nichts, als Secovic wenige Wochen nach dem Katende Desaster mit einem TKO Erfolg in der 3. Runde über Ernesto Postl wieder auf die Siegerstraße zurückkehrte und sich den österreichischen Titel im Halbmittelgewicht sicherte. Weitere fünf Siege folgten, unter anderem über Horst Schulze, Roberto Manoni und Rüdiger Bitterling. Ein Setback kassierte Secovic gegen den 27-0-1 Mann Marc Ruocco, dem er 1986 in Paris in 3 Runden unterlag. Danach sammelte Secovic aber wieder Erfolge, acht an der Zahl. Im Juni 1988 sicherte sich der Wiener im Halbmittelgewicht gegen Bryan Grant auch einen Weltmeisterschaftsgürtel, wenn auch des kleinen Verbandes WAA. Grant hörte in der Wiener Stadthalle nicht mal den Pausengong, wurde noch in Runde 1 K.o. geschlagen.
 
Ein Jahr später bekam Secovic die Möglichkeit um den vakanten Europameistergürtel in diesem Limit zu boxen. In Deutschland sollte Secovic auf den Rüsselsheimer Lokalmatadoren Jose Varela treffen, dessen Rekord von 33-1 mit einer ungewöhnlich hohen K.o. Quote versehen war. Varela war ein begnadeter Fighter, der 1986 bereits den Europameistertitel im Weltergewicht gewinnen konnte. Die Fans trauten ihren Augen nicht, als der mehrmals kurz vor der Knockoutniederlage stehende Varela seinen Kontrahenten Brahim Messaoudi am Ende doch noch vorzeitig besiegte. In seinem letzten Duell vor dem Secovic Kampf hatte Varela den in Deutschland geschätzten Erwin Heiber vorzeitig geschlagen und galt demnach als Favorit. Dies schien sich auch zu bestätigen, denn Varela startete von der ersten Sekunde druckvoll. Aber auch Secovic drängte auf eine Entscheidung, nahm den Kampf an. Nach dem ersten Durchgang kam es zu einem Kuriosum, als der Ringrichter den Gong nicht hörte und ein Eimer aus der Varela Ecke in den Ring flog. Es kam zu Diskussionen, ob dies als Aufgabe zu werten sei, der Kampf wurde aber schließlich regulär weitergeführt. Die Ecke des Deutschen mahnte ihren Schützling nicht ins offene Messer zu laufen. Er solle boxen, nicht fighten. Es kam wie es kommen musste: In der zweiten Runde erwischte Secovic seinen Kontrahenten mit einem wuchtigen Haken, Varela ging zu Boden. Nach zwei weiteren Niederschlägen war der Kampf zu Ende, Edip Secovic neuer Europameister. Jose Varela versuchte Mitte der 90er Jahre im Rahmen einer Weltmeisterschaft mit Henry Maske ein Comeback, wurde dort aber von Journeyman Chris Saunders schwer ausgeknockt und trat anschließend zurück. Sein Karrierehighlight konnte Secovic nicht lange auskosten. Nur zwei Monate nach seinem Triumph in Deutschland reiste er zur ersten Titelverteidigung nach Italien und verlor dort gegen Guiseppe Leto durch K.o. in der 6. Runde. Secovics letzter Kampf des Jahres 1989 verlief ebenfalls enttäuschend. In Mödling/Niederösterreich verlor Scovic ein Duell um den WBC International Mittelgewichtsgürtel gegen Hugo Corti einstimmig nach Punkten.
 
1991 siegte Secovic gegen Eric Cole vorzeitig und bekam 1993 die Möglichkeit in seiner Heimatstadt Wien gegen Salvatore di Salvatore um den Intercontinental Titel im Supermittelgewicht zu boxen. Es lief gut für Secovic, der nach 7 Runden bei allen drei Punktrichtern in Front lag. Im achten Durchgang erwischte Secovic seinen Kontrahenten mit einem schweren einem Körperhaken. Di Salvatore ging nach unten und wurde im Fallen von einem Schwinger an der Schulter getroffen, worauf der Schweizer den toten Mann markierte. Der Ringrichter winkte ab, eine jubelnde Fangemeinde stürmte in den Ring, um den Sieg zu feiern. Der Ringrichter behauptete aber später, er hätte Secovic einen Punktabzug und Di Salvatore eine Erholungspause geben wollen, sei aber wegen der anstürmenden Meute zur Disqualifikation gezwungen. Die wurde dann auch offiziell verkündet, Sieger dieses Kampfes Titelverteidiger Salvatore Di Salvatore. Der brachte es danach fertig seinen Intercontinental Titel noch durch ein Technisches Unentschieden gegen John Jarvis und eine weitere Disqualifikation zu verteidigen. Im Duell gegen Ivan Camacho gewann Di Salvatore wegen eines Genickschlages seines Gegners, der ihn angeblich kampfunfähig machte. Nach der Urteilsverkündung trat Camacho nach dem Sieger und wurde für ein Jahr gesperrt. Geschichten die das Boxen schreibt… Der talentierte Camacho fiel später auch außerhalb des Rings auf. Nach einem überfall wurde er zu 8 Jahren Haft verurteilt und um die Jahrtausendwende in seine Heimat Kuba abgeschoben. Secovic machte nach der Enttäuschung gegen Di Salvatore dagegen eine längere Pause und trat erst 1997 wieder in Aktion.
 
Im Spätherbst seiner Karriere hatte der Wiener aber nichts von seiner Attraktivität eingebüßt. So beendete er die Laufbahn von Wayne Powell, den er im letzten Durchgang stoppte. Powell, der zwar gegen die Hall of Fame Anwärter Julian Jackson oder Bernhard Hopkins vorzeitig die Segel streichen musste, aber immerhin Siege über Alain Bonnamie, Brett Lally oder Roy McElroy vorweisen konnte, war dem dem Druck des Wieners nicht gewachsen und beendete nach der vorzeitigen Niederlage gegen Secovic seine Laufbahn. Dies hätte auch der deutsche Jorneyman Mario Lupp tun sollen, der 1998 zwar mit 20 Niederlagen besattelt gegen Secovic in den Ring stieg, aber bis dahin noch nie vorzeitig verloren hatte, ja noch nicht mal in die Gefahr einer vorzeitigen Niederlage gekommen war. Der als zäher Hund über die Landesgrenzen hinaus bekannte Lupp machte seinem Namen als „Steher“ auch im Duelle mit Secovic alle Ehre, zumindest 6 Runden. Im siebten Durchgang, als alle Beobachter mit einem Punktsieg des Favoriten rechneten, schlug ein typischer Secovic Hammer an Lups Kopf ein, der nach dem brutalen Knockout mehrere Minuten brauchte, um überhaupt wieder auf die Beine zu kommen. Secovic zerstörte die Karriere des Deutschen. Lupp, der es immerhin noch zu einer Homestory in Deutschlands größter Sportzeitung schaffte, tingelte weiter durch die Boxringe, doch die Zeit der Punktniederlagen war vorbei. In schöner Regelmäßigkeit verlor der Berliner vorzeitig, stieg 2001 gegen Felix Sturm nach wenigen Sekunden einfach aus und wurde vom deutschen Boxverband gesperrt. 
 
Auch für Secovic wurde die Luft dünner. Er musste sich im Sommer 1999 dem soliden Juan Carlos Vilora in einem Achtrunder nach Punkten geschlagen geben. Den Zuschauern im Wiener Tivoli Center war klar, dass es mit weiteren Meisterehren nicht mehr klappen würde. Secovic war am Ende des Weges angekommen. Aber einen Abschiedskamp hatte sich Secovic verdient. Den absolvierte der Wiener dann 2000 im bereits eingangs erwähnten unspektakulären Sieg über Jongi Kamka. Später gab er im Juni 2008 noch ein weiteres Comeback, in der 1. Runde knockte er den Deutschen Steve Klockow aus. Diese Ergebnisse sorgten als kleiner Trost immerhin dafür, dass Secovic nicht mit einer Niederlage in die Box Rente gehen musste. Die ganz großen Namen hat er nicht in seiner Bilanz. Die Fans erinnern sich dennoch gerne zurück, sie haben ereignisreiche Ringschlachten vor Augen.
 
In den frühen Morgenstunden des 28. August 2008 wurde Edip Sekowitsch, wie er später hieß und auch so in der Datenbank boxrec zu finden ist, Opfer eines Gewaltverbrechens. Vor seinem Lokal „Champ’s Pub“ am Wiedener Gürtel in Österreichs Hauptstadt wurde er von einem Gast erstochen. Sekowitsch wurde nur 50 Jahre alt und hinterlässt eine Frau und drei Kinder.